Als Mei 17 Jahre alt war, hielt sie an einem Contest für Public Speaking an ihrer High School eine Rede und machte folgende Aussage: „Behinderung ist von der Gesellschaft kreiert.“ Dieses Statement untermauerte sie, indem sie von den Vorurteilen und Diskriminierungen erzählte, die sie erlebt hatte. Ab diesem Moment richtete sie ihren Fokus darauf, die Schwierigkeiten eines Lebens in dieser Gesellschaft auszumerzen. Wir schauen zurück auf Mei’s bisherigen Weg sowie ihre Karriere als paralympische Sportlerin und haben bei ihr nachgefragt, wo sie heute steht.
Nach zweieinhalb Jahren in Australien bist du kürzlich nach Japan zurückgekehrt. Wie fühlt sich das an?
Ich wollte so schnell wie möglich nach Kamogawa, um mich zu entspannen und deshalb sehr glücklich, zurückzukommen. Dieses Mal habe ich bei der Rückkehr gemerkt, dass sich mein Zuhause nicht über einen Ort definiert, sondern über die Menschen, die dort leben. Es geht nicht darum, was du tust und wo. Letztendlich geht es darum, mit wem du es machst. Mir ist wirklich klar geworden, dass ich zurück bin, als ich meine Familie und Freunde wiedergesehen habe.
Was bedeutet Familie für dich, Mei?
Seit sich meine Eltern scheiden liessen, lebte ich ausschliesslich bei meiner Mutter. Wenn sie mit mir schimpfte oder wir uns stritten, fühlte ich mich nicht wie ich selbst – auch bei Wettkämpfen nicht. Doch wenn es gut zwischen uns lief, machte mir alles Spass. Meine Familie ist ein wichtiger Teil meines Lebens.
Hast du wegen deiner Mutter mit dem Schwimmen angefangen?
Als ich anderthalb Jahre alt war, nahm mich meine Mutter zu einem Behindertensportzentrum in der Nähe unseres Hauses mit. Der Pool war für Menschen mit Behinderungen und ihre Familien kostenlos. In verschiedenen Eltern-Kind-Schwimmkursen und im Schwimmunterricht ausserhalb der Schule erlernte ich vier verschiedene Schwimmstile.
Ein Mitarbeiter des Sportzentrums war damals Direktor des paralympischen Schwimmteams. Er erzählte mir alles über die Paralympics. So begann ich davon zu träumen, eines Tages selbst Teil davon zu sein.
Wie hat deine Mutter auf deinen Rückzug aus dem aktiven Wettkampfsport reagiert?
Es war für sie völlig in Ordnung. Meine Mutter musste sich einst selbst von ihren sportlichen Ambitionen verabschieden. Sie wollte nicht, dass ich mich so fühle, wie sie damals. Sie respektierte meine Gefühle und konnte mich verstehen. Damit war sie eine wertvolle Unterstützung. Ich war erleichtert und glücklich zugleich.
Du warst lange Zeit kompetitiv unterwegs: 2016 bist du bei den Paralympics in Rio angetreten und 2019 hast du in Japan einen neuen Rekord über 100 m Schmetterling aufgestellt. Wie geht es dir nach deinem Rückzug aus dem Spitzensport?
Ich lerne gerade, mich auszuruhen. Als ich noch an Wettkämpfen teilnahm, steckte ich meine ganze Energie ins Training am Morgen und musste danach kein schlechtes Gewissen haben, wenn ich nichts tat. Das ist jetzt anders.
Ich habe schon sehr früh ein kompetitives Mindset entwickelt und wollte mich ständig weiterentwickeln. Das sitzt tief. Aktuell kreisen meine Gedanken deshalb ständig darum, was ich tun „sollte“. Doch eigentlich weiss ich, dass ich es ruhig angehen lassen kann. Seitdem ich mich aus dem Wettkampfsport zurückgezogen habe, versuche ich mir selbst beizubringen, dass es absolut ok ist, einfach mal nichts zu tun.